Olympia in Tokio ist das Ziel

Eva Roßner aus Münchberg ist stark wie nie, für Ihren zweiten Platz bei den German Open hat sie erstmals ein nettes Preisgeld bekommen. Doch darum geht es Ihr nicht.

Die Medaille hängt dort, wo Eva Roßner gerne ihre Zeit verbringt, „An der Küchenwand“, sagt die 20-jährige Münchbergerin über jenes Silber, das sie täglich an ihren größten sportlichen Erfolg erinnert. Die Medaille hat das Ausnahmetalent für ihren sensationellen zweiten Platz kürzlich bei den German Open in Coburg bekommen. So gut war noch nie jemand vom Karate-Club Münchberg in der Geschichte des Vereins. Und dass, obwohl die Münchberger hier schon immer einen Namen hatten und schon der Papa erfolgreich mit dem Klub in der Bundesliga gekämpft hat.

Doch Evas Erfolg ist nochmal eine andere Hausnummer. Kämpfe gegen Gegnerinnen aus Frankreich, Hong Kong, Polen, Belgien und der Ukraine hatte sie zu bestreiten. Am Ende war nur die Weißrussin Mariya Koulinkovitch stärker als sie. 300 Euro Preisgeld hat die angehende Industriekauffrau für ihre sensationelle Leistung bekommen. Ein hübsches Sümmchen, das inzwischen auf die Hälfte geschrumpft ist: „Die andere Hälfte habe ich beim Einkaufen ausgegeben. Für Anziehsachen, was halt jede Frau gerne so kauft“, sagt die 20-jährige erfrischend offen. Und lacht herzlich.

Zwei Minuten dauerten die Kämpfe in Coburg. Zwei Minuten, die verdammt lang werden können. „Das fühlt sich nicht an wie zwei Minuten Joggen“, sagt Eva, die in der Klasse bis 50 Kilogramm antritt. „Das ist eher wie ein Springt.“ Die beiden Kontrahentinnen müssen in dieser kurzen Zeit die geeigneten Techniken finden, um Schläge zu landen und keine Treffer zu kassieren. Erlaubt sind in ihrer Disziplin Faustschläge zum Kopf und Bauch sowie Fußstöße seitlich zum Kopf, in Bauch und Rücken.

Auch wenn es sich nicht um Vollkontakt-Karate handelt, sind die Treffer spürbar. Schläge und Tritte werden nicht nur angedeutet, sondern landen im Ziel. Treffer dürfen aber keine Wirkung entfalten, der Angreifer muss sie kontrollieren. Zur Sicherheit tragen die Sportlerinnen Schienbein-Schützer, einen gepolsterten Fußschutz, Zahnschutz, Faustschutz, Brustschutz sowie eine gepolsterte Weste.


„Karate hat mich zu einem weltoffenem Menschen gemacht.“

- Eva Roßner

Blaue Flecken sind nicht zu vermeiden. „Auch eine angebrochene Nase hatte ich mal“, sagt Eva. Mit ihren Gegnerinnen verbindet sie dennoch ein freundschaftliches Verhältnis, denn: „Man sieht sich ja immer wieder und lernt sich kennen.“ Überhaupt schule der Sport den Wettkämpfer nicht nur in Reaktion, Fitness und ähnlichen Dingen: „Karate hat mich zu einem weltoffenen Menschen gemacht“, meint die junge Kämpferin. Als Mitglied des Landeskaders tritt sie ganz selbstverständlich in vielen Ländern an, wie zuletzt in Salzburg, als sie sich der amtierenden Europameisterin geschlagen geben musste.

Der Erfolg in Coburg gibt aber auch Anlass für große Hoffnungen. Auch Eva hofft auf mehr. Wie schon bei den Junioren will sie es nun in den Bundeskader schaffe. Und dann? „Mein Ziel sind die Europameisterschaften nächstes Jahr und dann Olympia“, sagt sie selbstbewusst. 2020 in Tokio wird Karate erstmals vorgestellt. Dort dabei zu sehen, „das wär’s“.

Für den Erfolg muss sich die Münchbergin schinden. Täglich wird im heimischen Trainingsraum an der Technik gefeilt. Und sie hat drei Kilogramm abgenommen, um weiterhin in der leichtesten Damenklasse starten zu können. Weil Ausdauersport nicht so ihr Ding ist, hat sie dafür im Vorfeld der German Open sechs Wochen lang auf Kohlenhydrate verzichtet. Auch hinterher ist maßvolles Feiern angesagt: „Eine Sektsause scheidet aus, wenn man kurz darauf den nächsten Wettkampf anstehen hat“, weiß Eva.

Für die Zukunft hat sie ziemlich genaue Pläne. Nach der Ausbildung will sie Betriebswirtschaftslehre studieren und sich mit Erfolg auf internationaler Ebene für den Bundeskader empfehlen. Immer an ihrer Seite Vater Gerhard, der gleichzeitig ihr Trainer ist und sie nicht nur kampftechnisch, sondern auch mental nach vorne bringt. Und selbst, wenn es nicht mit dem großen Traum Olympia klappen sollte – Karate wird in ihrem Leben vermutlich immer eine Rolle spielen: „Das Tolle ist, dass der Sport so vielseitig ist. Ich kann Wettbewerbe kämpfen und ich kann es als Ausgleich zum Beruf machen. Und man kann auch mit 80 noch Karate betreiben.“ Bis dahin ist noch ein wenig Zeit.

In den nächsten Wochen wird Eva erstmal häufiger ihre Medaille sehen. Denn die junge backt für ihr Leben gern. „Bald stehen wieder Weihnachtsplätzchen an“. Und dass sie davon nicht zu viel nascht, darauf passt sicher der Papa auf.

Gut zu wissen

  • Eva Roßner macht seit etwa 15 Jahre Karate. Angefangen hat ihre Leidenschaft, als sie ihre beiden großen Geschwister Lisa und Marko und Vater Gerhard zum Training begleitete.
  • Die Münchbergerin trägt den schwarzen Gurt. Das ist im Karate die höchste Farbe. Sie steht kurz vor dem 2. DAN, dem nächsthöheren schwarzen Gurt (nicht äußerlich zu erkennen) in der Meisterstufe.
  • Eva leitet beim Karateclub Münchberg auch das Kindertraining. Ihr Erfolg spornt den Nachwuchs an. Roßners großer Durchburg begann erst im Alter von 17 Jahren, obwohl sie schon frühzeitig Wettkämpfe bestritt.
  • Ob die Münchbergerin zur Oberfränkischen Meisterschaft 2015 antreten kann, ist ungewiss. Denn zum selben Termin trainiert ihr Landeskader.